Kontemplation in Kommunikation

„Suche herauszufinden, wer die Fragen stellt,
dann wirst Du das Selbst finden.“
(Ramana Maharshi)

In dem hier dargestellten Zusammenhang bedeutet Kontemplation Sitzen in Stille mit einer Frage, die nicht durch Denken gelöst werden kann – ähnlich einem Koan in der Zen-Meditation.

In dieser Kontemplations- und Kommunikationsübung kontempliert man über sich selbst und kommuniziert gegenüber einem Partner alles, was einem dabei ins Bewusstsein kommt. Dabei geht es nicht darum, nachzudenken um eine „logische“ Antwort zu finden, sondern in einer „Innenschau“ zu beobachten, was die Frage in mir auslöst.

Charles Berner (1929-2007) hat diese Methode aus der Zenmeditation und der Psychotherapie entwickelt und nannte es “Enlightment Intensive“. Peter Ralston hat diese Methode weiterentwickelt und nennt es “Contemplation Intensive“.

Es ist nicht notwendig, irgend etwas zu glauben oder einer bestimmten Philosophie zu folgen – außer der Annahme, dass es möglich ist, die eigene wahre Natur zu erfahren. Es gibt nur die eine Frage in einer sehr disziplinierten intensiven meditativen Atmosphäre über mehrere Tage. Außer in den „Diaden“ genannten Kontemplations-Kommunikations-Einheiten wird in diesen Tagen geschwiegen, damit man sich vollständig mit dieser einen Frage beschäftigen kann – so lange, bis man zu dieser Frage „wird“.

Diese Frage lautet: „Wer bin ich?“

(Oder später „Was bin ich?“ und „Was ist ein Anderer?“)

Diese Frage ist direkt an den Wesenskern gerichtet, nicht an irgendeine Rolle oder ein Konzept. Jeder Versuch einer Beschreibung meiner selbst führt unweigerlich wieder zu der ursprünglichen Frage zurück „Wer ist es, der diese Beschreibung gerade abgibt?“.

Früher oder später kommt man zu der ersten Erkenntnis, dass alles, was ich beschreiben, benennen, sehen kann, nicht derjenige sein kann, der es beschreibt, benennt, sieht. Der Seher kann sich nicht selber sehen. Dann steht man vor dem Dilemma, die Subjekt-Objekt-Dichotomie überwinden zu müssen, was mit Anstrengung und Nachdenken nicht gelingen kann. Eine Öffnung kann sich ergeben durch Loslassen.

Das Setting ist so aufgebaut, dass man einem Partner gegenübersitzt, der einen durch die Fragestellung „Sage mir, wer du bist!“ unterstützt. Dann hat man fünf Minuten Zeit, über diese Frage zu kontemplieren und seine wahre Natur zu entdecken, indem man alles, was bei der Kontemplation ins Bewusstsein kommt, seinem Gegenüber mitteilt. Die Aufgabe des jeweiligen Gegenübers ist es, schweigend und so neutral wie möglich zuzuhören und Blickkontakt zu halten. Nach fünf Minuten werden die Rollen getauscht. Diese Diaden dauern jeweils 8 x 5 = 40 Minuten. Nach einer Pause beginnt eine neue Diade mit einem anderen Partner.

„Das, was nicht im traumlosen Tiefschlaf anwesend ist,
existiert nicht wirklich.“
(Ramana Maharshi)


Literatur

Ramana Maharshi: Sei was Du bist! Die wichtigsten Lehren des großen indischen Weisen (Hrsg.: David Godman) (2011) O. W. Barth Verlag, München.

Ken Wilber: Integral Meditation + Mindfullness as a Path to Grow Up, Wake Up, and Show Up in Your Life (2016) Shambala Publications.

Dr. Peter Wolfrum