Das Mumonkan (dt. oft mit „Torloses Tor“ übersetzt; chin.: Wumenguan) ist eine Sammlung von 48 Koans des Zen-Meisters Mumon Ekai (chin.: Wumen Huikai). Die Bezeichnung „Torloses Tor“ soll die Paradoxien in den Koans zum Ausdruck bringen.
Für unser logisches Alltagsdenken erscheinen die Koans des Zen tatsächlich paradox. Es handelt sich um Fragen oder Aufforderungen, die mit dem rational-logischen Verstand nicht gelöst werden können.
Beispiel: Koan Nr. 47 – Die drei Tore des Tosotsu
(Quelle: https://www.hermetik-international.com/de/mediathek/oestliche-schriften/wumen-huikai/)
Tosotsu setzte drei Hindernisse fest und ließ die Mönche hindurchgehen. Das erste Hindernis ist das Studium des Zen. Beim Studium des Zen besteht das Ziel darin, seine eigene wahre Natur zu erblicken. Nun, wo ist eure wahre Natur? Zweitens, wenn einer seine wahre Natur erkennt, so ist er frei von Geburt und Tod. Wenn ihr aber eure Augen vor dem Licht verschließt und eine Leiche werdet, wie könnt ihr euch dann befreien? Drittens, wenn ihr euch selbst von Geburt und Tod befreit, solltet ihr wissen, wo ihr seid. Euer Körper löst sich also jetzt in die vier Elemente auf. Wo seid ihr?
Die gegebenen „Antworten“ auf die Koans zeigen im Zen die Fortschritte auf dem Weg der Meditation auf. Im Bewusstseinszustand der sog. „Nondualität“ liegt die Antwort auf der Hand.
„Nondualität“ ist ein schwieriger Begriff insofern, da es eben ein Begriff ist und es „Nondualität“ im Gegensatz zu „Dualität“ natürlich nicht gibt. Nondualität ist der EINE Urgrund von allem – nenne es Dao oder Gott. Mit dem Benennen verfehlt man es aber gleich wieder, da man es damit zu einem Objekt macht. Und wo ein Objekt ist, ist auch ein Subjekt. Nondualität meint aber die Abwesenheit einer Subjekt/Objekt-Dichotomie.
(Artikel zu Meditation und Bewusstseinszustände.)
Jetzt gilt es aber noch zu erkennen, dass es keinen veränderten Bewusstseinszustand zu erreichen gilt. Dieser hätte einen Anfang und ein Ende in der Zeit. Das verfehlt aber unsere wahre Natur, die Erleuchtung IST, da diese außerhalb der Zeit liegt. Nicht ewig oder unendlich sondern zeitlos. Jenseits von Geburt und Tod. Wir sind alle JETZT erleuchtet. In diesem Augenblick. Wer liest gerade diesen Text? Solange wir nach einem Objekt suchen, verpassen wir uns. Wer oder was ist es, der sucht?
(Artikel Kontemplation in Kommunikation (Wer bin ich?).)
Der große Pfad hat keine Tore. Tausende von Wegen führen zu ihm. Wenn einer durch dieses torlose Tor geht, so wandert er frei zwischen Himmel und Erde.
Ken Wilber hat in seinem Buch The Eye of Spirit (deutsch: Das Wahre, Schöne, Gute) geschrieben (ab Seite 408 der deutschen Ausgabe von 1999 im Wolfgang Krüger Verlag):
„In einem berühmten Text des Dzogchen- oder Maha-Ati-Buddhismus, einer der großartigsten nichtdualen Traditionen, heißt es: „Es kommt vor, daß Meditierende sagen, es sei schwierig, die Natur des Geistes zu erkennen“ (im Dzogchen steht „die Natur des Geistes“ für ursprüngliche Reinheit oder radikale Leerheit, die letztlich nichts anderes ist als der nichtduale GEIST). Der entscheidende Punkt ist, daß diese „Natur des Geistes“ allgegenwärtiges Zeugen-Gewahrsein ist, und dies können dem Text zufolge manche Meditierende nicht glauben. Sie glauben, es sei schwierig oder sogar unmöglich, dieses allgegenwärtige Gewahrsein zu erkennen, und sie müßten große Anstrengungen unternehmen und sehr lange meditieren, um dieses erleuchtete Denken zu erreichen, während es doch nichts anderes ist als ihr allgegenwärtiges Zeugen-Gewahrsein, das jetzt in diesem Augenblick aktiv ist.
Der Text fährt fort: „Manche männlichen oder weiblichen Übenden halten es für unmöglich, daß man die Natur des Geistes erkennen könne. Niedergeschlagenheit befällt sie, und Tränen rinnen ihre Wangen hinab. Aber es gibt keinen Grund, traurig zu sein. Es ist keineswegs unmöglich, sie zu erkennen. Ruhe unmittelbar in demjenigen, das glaubt, daß es unmöglich sei, die Natur des Geistes zu erkennen, und das ist es.“
Was die Auffassung betrifft, dieses allgegenwärtige Zeugen-Gewahrsein sei schwierig zu erlangen: „Es gibt Meditierende, die ihren Geist nicht in sich selbst ruhen lassen (einfaches gegenwärtiges Gewahren), wie sie es tun sollten. Statt dessen lassen sie es das Äußere beobachten oder im Inneren suchen. Aber man kann (den Geist) nicht sehen und finden, indem man das Äußere beobachtet oder im Inneren sucht. Es gibt überhaupt keinen Grund, das Äußere zu beabachten oder im Inneren zu suchen. Lasse unmittelbar in diesen Geist los, der das Äußere beobachtet oder im Inneren sucht, und das ist es.“
(…)
Manche Menschen haben größte Schwierigkeiten, den GEIST zu verstehen, weil sie versuchen, ihn als Objekt des Gewahrens oder als Objekt des Begreifens zu sehen. Aber die höchste Wirklichkeit ist nicht etwas, das man sehen kann, sondern der Seher selbst. Der GEIST ist kein Objekt; er ist radikales allgegenwärtiges Subjekt und daher nichts, was vor uns wie ein Stein, ein Bild, ein Gedanke, ein Licht, eine Empfindung, eine Erkenntnis, eine leuchtende Wolke, eine intensive Schau oder eine Empfindung großer Seligkeit auftauchen würde. All das ist recht und schön – aber es sind Objekte, und eben dies ist der GEIST nicht.
Wenn man also im Zeugen ruht, sieht man nichts Besonderes. Der wahre Seher ist nichts, was man sehen kann, weshalb man einfach damit beginnt, seine Identifikation mit jeglichen Objekten aufzugeben.“
Literatur
Mumonkan: Die torlose Schranke – Zen-Meister Mumons Koan-Sammlung (kommentiert von Zen-Meister Kôun Yamada). (1989) Kösel-Verlag, München.
Ken Wilber: Das Wahre, Schöne, Gute – Geist und Kultur im 3. Jahrtausend. (1999) Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurt am Main.
David Loy: Nondualität – Über die Natur der Wiklichkeit. (1988) Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurt am Main. – Die deutsche (und englische) Ausgabe ist zur Zeit nicht lieferbar, der Autor stellt auf seiner Homepage ein PDF der englischen Ausgabe zum Download bereit: http://www.davidloy.org/downloads/Loy_Nonduality.pdf